RÜCKBLICK
Die Zins- und Geldpolitik der US Notenbank und der EZB haben die Renditen der Staatsanleihen trotz enorm gestiegener Inflationsraten bis heute bewusst niedrig gehalten. Das hat den Mitgliedsländern geholfen, sich weiterhin mit billigen Krediten zu verschulden, zu Lasten der Sparer und Anleger. Sie haben die Flucht nach vorn angetreten und trotz Rekordständen an den Aktienbörsen vermehrt Vermögensanteile in Risikokapital umgeschichtet. Seit dem letzten Bericht lagen trotz der eingesetzten Korrektur wiederum die USA mit einem Plus von 6% gemessen am S&P500 und 9% am NASD100 in der Wertentwicklung vor Europa mit 1%. Deutsche Aktien gingen mit -2% gemessen am DAX-Preisindex und Japan sogar mit -5% aus dem Rennen. Über das Jahr hinweg betrachtet haben nur die USA und Europa im November neue Allzeithochs erzielt. Deutsche und japanische Aktienindizes kamen über ihre Jahreshöchststände vom August bzw. vom Februar nicht hinaus. Im Vergleichszeitraum hat der Dollar zum Euro ca. 2% hinzu gewonnen und liegt nach seiner Schwäche in 2020 wieder auf dem Stand vom Dezember 2019. Die Unze Gold hingegen konnte trotz gestiegener Inflationserwartungen zwar 2% hinzugewinnen, liegt aber immer noch mit 13% unter ihrem im August 2020 erzielten Rekordhoch. Diese Zahlenvergleiche zeigen, wie unterschiedlich sich die einzelnen Kategorien und Aktienmärkte entwickelt haben, ganz abgesehen von den Aktiengruppen und den Einzelaktien in den jeweiligen Indizes. Es war deshalb für aktive und international anlegende Vermögensverwalter kein leichtes Jahr, immer auf der Sonnenseite der Märkte zu stehen.
AUSBLICK
Analysiert und bewertet man die verschiedenen Einflussfaktoren für die globalen Volkswirtschaften und daraus abgeleitet die Entwicklung der jeweiligen Kapitalmärkte für das Jahr 2022, so sollte sich dieses Bild auch in den nächsten zwölf Monaten nicht ändern. Corona im dritten Jahr, die gestörten Lieferketten, die Geldentwertung, der industrielle Klimaumbau und die Beschäftigung bilden die Eckpunkte der zukünftigen Politik alter und neuer Regierungen. Die ungebremste Pandemie ist zweifellos der größte Risikofaktor in den kommenden Jahren für die strukturelle wirtschaftliche Gesundung in Europa und den übrigen Industrieländern. Nach den regionalen Erfahrungen und unterschiedlichsten Erfolgen in allen Ländern wird ohne die vollständige Herdenimmunität in der industrialisierten Welt keine Normalität eintreten können. Deutschland wird deshalb bald die allgemeine Impfpflicht einführen müssen, wenn die Epidemie Ende 2022 nach drei Jahren Geschichte sein soll. Das gilt auch für die EU. Dies ist die erste Hürde, die die neue deutsche Regierung nehmen muss, wenn ihr Programm „Mehr Fortschritt wagen“ von der Gesellschaft mitgetragen werden soll.
Die zweite Hürde sind die globalen Lieferketten, deren Produktions- und Transporteinbrüche die Preise von Energie, fossilen Brennstoffen, Metallen, Vorprodukten, Grundnahrungsmitteln und tierischen Produkten wie seit Jahrzehnten nicht mehr verteuert haben. Diese Entwicklung hat sich bereits in den Preisen vieler Produkte des täglichen Bedarfs und bei allen kurz- und langlebigen Konsumgütern und Dienstleistungen niedergeschlagen. Es ist den Unternehmen erstmals seit Jahren gelungen, ihre gestiegenen Kosten an den Endverbraucher weiterzugeben. Dadurch ist eine Inflationsspirale in Gang gesetzt worden, die bereits im November 5% auch in Deutschland überschritten hat und deren Zenit noch nicht erreicht ist.
Auch wenn dieser enorme Inflationsschub durch technische Probleme erzeugt worden ist, so ist doch zu erwarten, dass die Geldentwertung in den kommenden Jahren wieder zu einem Thema für die Politik und die Zentralbanken wird und die Deflationsgespenster vertrieben sind. Die Rückkehr zur Normalität und die Höhe zukünftiger Inflationsraten hängen vor allem von der Geschwindigkeit der Wiederherstellung der Lieferketten ab. Die Fortschritte werden bereits jetzt sichtbar, und sie sollten im Lauf des Jahres wieder funktionieren. Der zweite Einflussfaktor sind zweifelsohne die Lohn- und Gehaltsveränderungen kommender Jahre. Deren Höhe und die Durchsetzungsfähigkeit hängen von den in den letzten zehn Jahren veränderten Arbeitsmarktstrukturen ab. Industrieländer, deren Arbeitsmärkte auf Grund von fundamentalen Veränderungen in Wirtschaft und Industrie, von Arbeitsmarktbewegungen und durch die Altersentwicklung der Bevölkerungspyramiden ausgeschöpft sind, werden in Zukunft wesentlich höhere Lohnzugeständnisse machen, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Das gilt für Facharbeiter gleichermaßen wie für alle Handwerks- und Dienstleistungsberufe, die Berufe in der IT-Branche, des Ingenieurswesens und für alle Berufe in Forschung und Entwicklung. Bei der zukünftigen Lohn- und Gehaltsfindung spielen sozialpolitische und Verteilungsaspekte in vielen Ländern ebenfalls eine wesentliche Rolle. Das gilt für Deutschland im besonderen Maße, das die Verteilungsgerechtigkeit in den letzten 30 Jahren vernachlässigt hat.
Zurzeit erwartet die Mehrheit der Volkswirte nach dem Abklingen des durch Corona und der unterbrochenen Lieferketten ausgelösten Inflationsschubs je nach Region eine Inflationsrate zwischen 2-3% für die Jahre 2022 und 2023. Damit ist die seit Jahren vorgegebene Zielvorgabe der Zentralbanken von 2% endlich erfüllt. Trotz des starken Anstiegs sehen die amerikanische Zentralbank und die EZB bisher keine Notwendigkeit, die bestehende Politik zu ändern, da sie den Anstieg im Wesentlichen als technisch bedingt ansehen. Diese Einschätzung würde sich erst dann ändern, wenn Engpässe an den Arbeitsmärkten eine Lohn- und Gehaltsspirale in Gang setzen würden, die dann die Ziele der Geldwertstabilität verletzen würde. Es ist nicht mehr auszuschließen, dass dies bereits im nächsten Jahr eintreten könnte.
Bis auf weiteres sind die Zinsen in den bestehenden Korridoren festgeschrieben, was den Industriestaaten die Finanzierung der notwendigen Umgestaltung und Neuausrichtung ihrer Volkswirtschaften in Richtung Klimaneutralität wesentlich erleichtert. Hinzu kommen die Kosten für die Bewältigung der Pandemie. Vor ähnlichen Herausforderungen stehen auch die anderen europäischen Länder. Zudem trägt Deutschland die Bürde, zusätzlich zu diesen Mammutaufgaben die in den letzten 10 Jahren entstandenen Rückstände der Modernisierung und des Ausbaus seiner Infrastruktur aufzuholen und zu finanzieren. Das ist ohne nennenswerte Neuverschuldung nicht zu stemmen und deswegen ist es wichtig, dass die staatlichen Finanzierungskosten so lange wie möglich niedrig bleiben.
KAPITALMARKTAUSSICHTEN
Die neue Mutante „Omikron“ war lediglich der Auslöser für die erwartete technische Korrektur an den Aktienmärkten, die – wie in der Vergangenheit – in Deutschland, der EU und in Japan stärker als in den USA ausgefallen ist. Sie passt zwar in das Gesamtbild, ist aber für die Entwicklung der Kapitalmärkte für 2022 nur ein Stein in dem Puzzle. Die Inflations- und Zinsentwicklung, die Konjunkturverläufe in den Industrieländern und das Wachstum der Unternehmensgewinne werden jedoch die Bewertungsparameter für die Richtung und Erträge der einzelnen Assetklassen Bargeld, Obligationen und Aktien sein. Trotz der fortschreitenden Pandemie in der vierten Welle mit neuen Anpassungsproblemen werden sich die Volkswirtschaften im Jahresverlauf nach dem Frühjahr wieder erholen. Die durch die unterbrochenen Lieferketten ausgelösten Angebots-/Nachfrageverspannungen in der Güterversorgung sollten sich in dem Maße auflösen, indem die Pandemie im Jahresverlauf seitens der Gesundheitsbehörden in allen Ländern wesentlich oder sogar ganz eingedämmt wird.
Davon hängt die Höhe der Erholung der globalen Wirtschaft entscheidend ab, die bereits jetzt eine sichtbare Delle erfährt und bis in das erste Quartal 2022 hineinreichen könnte. Folgt man den der Volkswirten von Morgan Stanley, dann scheinen mir deren BSP- Schätzungen für 2022 global mit 4,7% nach 6,1%, für die USA mit 4,6% nach 5,5% und für die Eurozone mit 4,6 % nach 5,2% zu ehrgeizig zu sein. Das gilt auch für Deutschland, das nach einem Wachstum von nur 2,7% in 2021 auch im nächsten Jahr Schlusslicht sein wird.
Das Abflauen der Inflation würde den Druck von den Zentralbanken nehmen, zu sehr auf die Bremse treten zu müssen. Die Kapitalmärkte sollten allerdings davon ausgehen, dass die Kapitalmarktzinsen im weiteren Jahresverlauf weiter leicht ansteigen werden, ohne dass es – vor allem in den USA – zu Verwerfungen an den überhitzten Immobilienmärkten kommt. US-10-Jahres Renditen könnten sich im Bereich 1,8% bis 2% ansiedeln, was auch leichte Zinserhöhungen in Europa nach sich ziehen sollte.
Geld- und Kapitalanlagen in Renten werden daher weiter unter negativen Realzinsen leiden. Obwohl sich die Aktienbullenmärkte seit März letzten Jahres im Aufwärtstrend befinden, sind Aktien im Verhältnis zu Rentenrenditen im Langzeitvergleich noch unterbewertet. Die amerikanischen Unternehmensgewinne sollten in den nächsten 2 Jahren um ca. 8-10% p.a. wachsen. Bei einem Indexstand von ca. 4600 für den S&P500 würden dann die Aktien mit dem 20 bzw.19fachen für 2022 und2023 attraktiv bewertet. Die Unternehmensgewinne europäischer Gesellschaften sollten sich ebenfalls im Durschnitt um ca. 7-9% pro Jahr verbessern, sodass meines Erachtens Aktienanlagen auch in diesem Teil der Welt auf längere Sicht grundsätzlich zu empfehlen sind. Der Anlagebedarf privater Anleger ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Das gilt vor allem für die Generation Y, die Millenniumsgeneration, der heute 25-40jährigen, die über die kapitalgedeckte Altersversorgung eine zusätzliche Rente ansparen müssen, um ihren Lebensstandard im Alter zu sichern.
Allerdings sollte vor dem unsicheren Zinshintergrund der Spielraum für weiteres Kurspotential in den Aktienmärkten begrenzt sein. Der Grad der Aufwärtsbewegungen sollte im Jahresverlauf abflachen, sodass über das Jahr hinweg große Indexzugewinne nicht mehr wahrscheinlich sind. In der zweiten Hälfte dieses Bullmarktes, der bis in das Jahr 2023 andauern kann, sollten deshalb die Gruppen- und die Aktienselektion mehr noch als schon in diesem Jahr den Anlageerfolg bestimmen. So wie in jedem Aktienzyklus zuvor sollten von nun an besonders die global operierenden Gesellschaften die Gewinner sein, deren Produkte Alleinstellungsmerkmale haben, skalierbar und nicht zyklisch sind, d.h. die Gesellschaften, die mit dem fortschreitenden Konjunkturverlauf fähig sind, den Absatz ihrer Markenprodukte und Dienstleistungen überproportional zu steigern. Das gilt für Konsum-, für Gebrauchs- und Investitionsgüter gleichermaßen. Aktien, die sich durch diese Merkmale auszeichnen, finden sich z.B. in vielen Bereichen der Elektronik, der Informationstechnik (FAANG), bei hochwertigen und nichtzyklischen Konsumgütern und Dienstleistungen, in der Pharmazeutik und der Gesundheitsindustrie.
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Stand 08.09.2024
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Stand: 01.12.2021
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